BERLIN taz | Die Regenbogenflagge hält er für ein „antizionistisches Symbol“, die Pride-Parade in Jerusalem für eine „schändliche Vulgarität“. Mehr noch: Das Reformjudentum, in den USA stark verbreitet, lehnt er ab, und fast jede Kritik an seinem Land ist für ihn „antisemitisch“, selbst wenn sie aus Israel selbst kommt. Zudem erklärte er den israelischen Oppositionschef Yair Lapid einmal zur „Speerspitze“ der Israel-Boykott-Bewegung, weil sich dieser kritisch über die in Teilen rechtsextreme Regierung von Benjamin Netanjahu geäußert hatte. Dem Chef der rechtsradikalen Schwedendemokraten, Jamie Akison, dankte er dagegen bei einem Treffen jüngst für seine Unterstützung beim „gemeinsamen Kampf für die Zukunft der westlichen Zivilisation“. Kurz: Den israelischen Politiker Amichai Chikli umstritten zu nennen, wäre eine Untertreibung.
Vor rund einem Jahr wurde der Ultrarechte Chikli von Netanjahu zum Minister für Diaspora-Angelegenheiten ernannt. Jüdische Studierendenverbände, die europaweit mehr als 170.000 jüdische Studierende aus 36 Ländern vertreten, fühlten sich dadurch vor den Kopf gestoßen. Er sei für sein Amt ungeeignet und kein Gesprächspartner für die Diaspora, schrieben ihre Präsidenten im vergangenen Jahr in einem offenen Brief. Chikli spiele „sogar auf der Klaviatur der antisemitischen Soros-Verschwörungsmythen, die man hierzulande eher von Querdenker-Demonstrationen kennt“, warnte die damalige Präsidentin der European Union of Jewish Students (EUJS), Avital Grinberg, 2023 in der Jüdischen Allgemeinen. „Auf die Einladungsliste keinerlei Einfluss“
Nun soll der Likud-Minister am 14. Februar nach Berlin kommen. Anlass ist der Kongress „Joint Perspectives“, zu dem die rechtskonservative Jerusalem Post und ihr deutsches Pendant, die Welt, einladen. Neben Chikli ist dort Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) angekündigt, außerdem der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der israelische Botschafter Ron Prosor sowie die Publizisten Ahmad Mansour, Michael Wolfssohn und Michel Friedman.
Eine Sprecherin von Buschmanns Justizministerium sagte der taz, der Minister werde die Eröffnungsrede sprechen, weil ihm „der Staat Israel und seine Bevölkerung besonders am Herzen liegen“. Sie fügte hinzu: „Der Bundesjustizminister hatte auf die Einladungsliste und auf die Programmgestaltung keinerlei Einfluss.“
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, erklärte gegenüber der taz: „Wenn sich in dieser Zeit zwei der auflagenstärksten Zeitungen aus Israel und Deutschland zu einer Konferenz zusammentun“, dann sehe er keinen Grund, sich dafür zu rechtfertigen, „warum er an dieser Debatte teilnimmt“. Die grüne Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor sagte der taz, man müsse im Gespräch bleiben. Sie erwarte von Justizminister Buschmann jedoch, „dass er gegenüber den rechtspopulistischen und rückwärtsgewandten Positionen von Teilen der israelischen Regierung klar Stellung bezieht“.
Erst am Sonntag hatte Chikli in Jerusalem an einer Konferenz teilgenommen, auf der die Rückkehr jüdischer Siedler in den Gazastreifen und die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung gefordert wurde. Die Bundesregierung nannte die Pläne völlig inakzeptabel“ und verurteilte „die Teilnahme und Äußerungen von Teilen der israelischen Regierung“ an der Konferenz „auf das Schärfste“.
Das muss diese Eigenverantwortung sein, von der eine bestimmte Partei so oft redet.