Am 25.03.2024 wurde unser Konto bei der Berliner Sparkasse mit sofortiger Wirkung gesperrt. In einem Schreiben teilt uns die Sparkasse mit, dass sie diesen Schritt vorsorglich unternommen hat und wir zur Aktualisierung unserer Kundendaten zahlreiche Vereinsunterlagen bis zum 05.04. einreichen sollen. Die Sparkasse ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts an das öffentliche Recht gebunden und darf nicht willkürlich Konten sperren ohne es zu begründen, was sie nicht getan hat. Außergewöhnlich ist auch, dass zu den geforderten Unterlagen eine Liste unserer Mitglieder mit vollständigen Namen und Anschriften gehört.
Es ist dieses endlose hin und herwerfen dieses Begriffes, der das Thema in die bedeutungslosigkeit treiben soll. Wenn jetzt Anhänger*innen der jüdischen Stimme jetzt die Sparkasse für literally Nazis hält, weil sie das Konto eines Vereines einfriert, der breit von der jüdischen Community kritisiert wird, dann bringt man damit das Thema Antisemitismus in die Bedeutungslosigkeit genau so wie das Konservative auch tun, wenn sie jede Kritik an Israel als Antisemitismus bezeichnen.
Antisemitismus ist dann halt einfach nur das, was einem in den Kram passt. Das gilt genauso für die Rechte, wie für Antizionist*innen.
Es ist aus meiner Sicht Antisemitismus, dass Konto einer jüdischen zivilgesellschaftlichen Organisation einzufrieren, weil einem ihre politische Meinung nicht passt. Man stelle sich vor die Konten der Grünen in Bayern würden von der CSU Regierung eingefroren werden.
Das ist aus meiner Sicht politische Verfolgung. Jüdinnen und Juden sind mit knapp einem Drittel deutlich überrepräsentiert an den Menschen, die wegen ihrer Haltung zu Israel staatliche Repression oder staatsnahe Repressionen (etwa durch parteinahe Stiftungen) in Deutschland erfahren haben. https://www.theguardian.com/commentisfree/2024/feb/11/denouncing-critics-of-israel-as-un-jews-or-antisemites-is-a-perversion-of-history
Und damit wird dann diese Repression auch klar antisemitisch. Jüdische Menschen die sich kritisch gegenüber Israel positionieren werden in Deutschland überproportional mit Repressionen konfrontiert. Ihnen wird ihre ethnische und religiöse Zugehörigkeit aberkannt, also unmittelbar ihre jüdische Identität in Frage gestellt, weil sie ihre Position zu Israel öffentlich vertreten. Als die AFD, CDU und Werteunion zusammen Sellner gelauscht haben, wie auch deutsche Staatsbürger, die ethnisch “Biodeutsche” sind, trotzdem vertrieben werden sollen, wenn ihre politische Haltung nicht passt, wurde das zu Recht scharf kritisiert.
Auch wenn noch niemand über Vertreibungen israelkritischer Jüdinenn und Juden spricht, so ist doch der Kerngedanke bereits da. Menschen wird ihre kulturelle, ethnische und religiöse Identität abgesprochen, weil ihre politische Haltung von der Mehrheitsmeinung abweicht. Und Jüdinnen und Juden, die sich kritisch zu Israel positionieren sind damit auch in einer besonders prekären Lage. Sie erleben den allgemeinen Antisemitismus aus der deutschen Gesellschaft. Sie werden von Teilen ihrer kulturell, ethnischen und religiösen Community ausgestoßen und der deutsche Staat und deutsche Parteien nehmen Repressalien gegen sie vor. Statt nur von einer Seite, werden sie also von drei Seiten angegriffen. Deswegen ist es umso wichtiger sie zu verteidigen und umso wichtiger, dass staatliche Repressionen verhindert werden.
Wenn Jüd:innen im Vergleich zu Nicht-Jüd:innen für die gleichen politischen Positionen und vergleichbarerer politischer Plattform und Reichweite mehr Repressalien erfahren, dann ist das auch problematisch. Zionistische Jüdinnen werden ja auch viel extremer angefeindet als nicht-jüdische Zionistinnen. Das ist auch Antisemitismus.
Naja es wird ja schon ganz offen über die Vertreibung muslimischer Menschen geredet, wenn sie sich nicht deutlich genug zu Israel bekennen. Aber trotzdem, “israelkritik” ist ja auch schon sehr gedehnt. Menschen, die Israel als Staat auslöschen wollen werden ja auch à la Motte-and-Bailey als “Israelkritiker” bezeichnet.
Im Grunde stimme ich überein. Obwohl ich viele der Positionen dieses Vereins nicht teile und problematisch finde. Es fehlt halt eine Zivilgesellschaft, die dagegen hält.